Von der Metzebacher Höhe über den Alheimer nach Rotenburg

 

Abbildung   |   Karte

Jörg Hasheider, Berlin
»Claude-Spiegel I-III«

 

„Bevor ich auf die Arbeit selbst eingehe, einige Bemerkungen zur Kulturgeschichte des Spiegels:
In seiner archaischen Form trat der Spiegel in der etruskischen Kultur hervor. Bestehend aus polierter Bronze und in Form eines klassischen Handspiegels sind die noch existierenden Exemplare die am sorgfältigsten ausgearbeiteten etruskischen Gegenstände. Diese sorgfältige Ausarbeitung weist sie als Kultgegenstände aus. Die auf den Rückseiten dargestellten Szenen stellen die Unabänderlichkeit des Schicksals dar. Das gespiegelte Selbst war nicht Selbst, sondern rätselhafte Erscheinung in einer rätselhaften, von unbekannten Kräften gelenkten Welt.
Nach dem Mittelalter untersuchte die Renaissance, anknüpfend an die klassische antike Philosophie wieder verstärkt die Bedingungen menschlicher Wahrnehmung. Die Zentralperspektive ermöglichte es zum Beispiel, Natur nicht nur empirisch abzubilden, sondern auch natürlich scheinende Räume zu konstruieren.
In der Folge dieser Entwicklung schuf sich der Landschaftsmaler Claude Lorrain (1666-1682) aus einem Spiegel ein Werkzeug, den nach ihm benannten Lorrain- oder Claude-Spiegel. Er bestand aus poliertem schwarzem Glas und war leicht gewölbt. Mit seiner Hilfe legte der Maler den gewünschten Bildausschnitt fest. Durch die schwarze Färbung löschte der Spiegel die Farben fast gänzlich aus und erleichterte die Auffassung der Linienführung. Wichtig ist, dass die Bildfindung nicht anhand des materiellen Urbilds, sondern seines, vom Menschen manipulierten, immateriellen Abbilds erfolgte.
Seine größte Verbreitung fand der Claude-Spiegel folgerichtig im 18ten Jahrhundert, als die Aufklärung das „Ich“ ins Zentrum jeglicher Wahrnehmung und damit der Philosophie setzte. Nur in Form klarer Taschenspiegel im Format klassischer Landschaftsgemälde (Seitenlängen etwa 2 zu 3) wurde die Landschaft mit seiner Hilfe nach bildhaften „picturesquen“ Motiven durchsucht. Nicht mehr das Naturerlebnis, sondern dessen selektive Wahrnehmung stand im Mittelpunkt des Interesses.
In diesen Zusammenhang stellt sich die Arbeit Claude-Spiegel I-III. Selbstverständlich herrschen heute andere Beziehungen zwischen Bild und Abbild als zu Zeiten des Rokoko. In unserer medial geprägten Welt stellt das Spiegelbild eine Echtzeit – eine Live-Übertragung - dar. Wird uns bei der televisionären Live-Übermittlung mittels einer komplexen Bildregie künstlich das Gefühl von Teilhabe vermittelt, erscheint uns der Spiegel als direktes Abbild der Wirklichkeit. Erst die vorgeblich kleinen Unterschiede – das Bild tritt uns „spiegelverkehrt“ gegenüber, es existiert in einer festgelegten Begrenzung – dem gewählten Format -, führen uns zu der Erkenntnis, dass Bild und Abbild, Welt und Wahrnehmung nicht deckungsgleich sein können.
Die Installation Claude-Spiegel I-III ermöglicht es dem Betrachter, sich an der Schnittstelle von Bild und Abbild, Natur und Kunst zu bewegen.… Das Format verändert sich von 30 cm x 45 cm (klassische 2 zu 3-Proportion) über 25 cm x 50 cm (1 zu 2) zu einem modernen Panoramaformat von 20 cm x 60 cm (1 zu 3). Der Betrachter steht mit dem Rücken zum Panorama und betrachtet einen, vor dem Hintergrund des Waldes schwebenden ausgewählten Ausschnitt dieses Panoramas. Er steht zwischen Natur und Kunst. Er kann sich durch Verändern seines Blickwinkels selbst ein Bild machen. Er stößt an Grenzen“ (Jörg Hasheider). Das Werk steht in der Tradition der Concept Art, bei der der gedankliche Prozess bzw. die Konzeption gleichwertig neben dem künstlerischen Endprodukt steht.

 

 

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